53°32'17.7"N 9°36'38.7"E
Altenteilerhaus in Guderhandviertel


Erbrecht, Wohlstand und Baukunst

Die „Reformatio des Landrechts von 1517", um 1580 niedergeschrieben, enthält Rechtsbelehrungen des Landgräftings an die Untergerichte im Alten Land.

Das eheliche Güterrecht:
Im Alten Land herrschte die eheliche Gütergemeinschaft. Jeder Ehegatte hatte also gleiche Rechte, auch wenn das, was jeder eingebracht hatte, nicht gleich war. Es gab 1789 ein Urteil, wonach ein Grundstücksverkauf für nichtig erklärt wurde, weil die Einwilligung der Ehefrau fehlte.

Das Erbrecht:
Verstarb einer der Eheleute, so musste der Überlebende die Hälfte aller Güter mit den Kindern, so welche vorhanden waren, bzw. mit den nächsten Erben teilen, nicht so bei Immobilien. Die Höfe sollten nicht geteilt werden, dem Weichenden wurde aber Geld ausbezahlt. Verstarben beide Eltern, so mussten Abkömmlinge alles lebendige und bewegliche Inventar gleichmäßig aufteilen oder einem von ihnen zu einem gerechten Preis verkaufen, die Ältesten hatten gegenüber den Jüngsten zurückzustehen. Wobei nicht auszuschließen war, dass auch eine Tochter den Hof erben konnte. Ein Grund, warum auch Mädchen im Alten Land schon damals gut ausgebildet wurden.

Dahinter verbarg sich die Sorge, dass bei Aufteilung der Höfe, die Bevölkerung verarmen könnte, und die Deichsicherheit wäre gefährdet gewesen, da diese einen leistungsfähigen Grundbesitz voraussetzte.

Darüber hinaus unterlag jeder Grunderwerb der Bestätigung durch den zuständigen Deichverband, der Meile. Sie hatte nach einer Entscheidung von 1554 das Recht zu beurteilen, ob der Käufer „nochhaftig erkannt wörde, Dike und Damme to maken, darmit unses Gnädigen Herrn Land vorwaret si“. Wurden Fähigkeit und guter Wille beim Käufer nicht vorausgesetzt – und man war in diesen Dingen sehr vorsichtig – so musste er „söben beedete (vereidete) und besetene Lüde to Borgen setten;“ sieben Besitzer mussten sich für den Käufer verbürgen.

Hofübergabe und Altenteil:
Sollte der Hof bereits zu Lebzeiten der Eltern abgeben werden, dann wurde in einem sogenannten Kauf- und Übergabevertrag die Rechte und Pflichten der Eltern und des Hoferben ebenfalls genau festgelegt. Der Hoferbe musste meistens alle Schulden und Abgaben übernehmen und sich zu bestimmten Geld- und Sachleistungen an Eltern also dem Altenteil und Geschwistern also die Aussteuer bzw. eine Abfindung verpflichten.

Das Näherecht:
Ferner konnten Verwandte bis zum dritten Grad beim zuständigen Siedestgericht Beispruchsklage erheben, d.h. innerhalb einer gewissen Frist ein Vorkaufsrecht geltend machen; beim Fehlen von Verwandten konnte sogar der Landnachbar ein „Näherecht“ in Anspruch nehmen. Dieses Recht sollte ebenfalls einer Zerteilung des Grundbesitzes zuvorkommen. Die Bisprake war bis 1845 geltend.


Wohlstand war überlebenswichtig und wurde gezeigt

Die Prunkgiebel zahlreicher Altländer Fachhallenhäuser – insbesondere aus der Zeit des Barocks – weisen reich gemusterte Backsteinausfachungen auf. Sie werden Buntmauerwerk genannt. Donnerbesen, Windmühlen, Sonnen, Rauten, Flechtwerk, Fischgrätmuster und Friese zeugen vom Einfallsreichtum und der Kunstfertigkeit der Maurer sowie vom Wohlstand der Bauherren. Ob die Musterungen germanischen Ursprungs sind, Schutzsymbole oder nur Schmuck darstellen, ist unter Historikern umstritten.

Die Buntheit der Musterung wird durch die weiße Ausmalung einzelner Steine und des Mörtels betont. Manchmal findet sich auch der gelbe „Leydener Stein” aus Holland in den Zierfeldern des Fachwerks.

Buntmauerwerk erforderte fachkundige, erfahrene Handwerker. Die Steine mussten vorsichtig mit ihren unterschiedlichen Gehrungen zugerichtet werden, damit ihre Kanten unversehrt blieben. Vom Entwurf bis zur richtigen Mörtel-Mischung musste sorgfältig und genau gearbeitet werden.

Die Proportionen der Fachwerkgiebel folgen den Regeln des Goldenen Schnitts. Der Formenreichtum der Giebelgestaltung der Altländer Fachhallenhäuser ist besonders groß und im Vergleich mit anderen Regionen einzigartig.

Die schönsten Giebel sind in Guderhandviertel und Bergfried erhalten, weil sie dort mit dem Prunkgiebel nach Osten und damit wettergeschützter ausgerichtet stehen.

 

Altenteilerhaus Guderhandviertel Nr. 50a

Es ist das älteste erhaltene Fachwerkgebäude im Alten Land. Die Inschrift in gotischer Minuskel lautet: „ANNO DNI 1587 Heinriche thom velde düt hus int werck laten stellen Got wet hulpe und radt wen aller minschen trost ein ende hatt Min häpen tho godt.“ (Gott weiß Hilfe und Rat, wenn aller Menschen Trost ein Ende hat). Die Inschrift am Speicher drückt Selbstbewusstseins aus, zeigt aber auch eine fromme Gesinnung.

Der Bauherr, der Gräfe Hein tom Velde (Heinrich zum Felde) wurde 1523 geboren. Er erscheint erstmals im Eintalerschatzregister von 1561 als Besitzer eines Vollhofs in Guderhandviertel. Vermutlich ist er durch Heirat auf diesen Hof gelangt, da sein Familienname in früheren Registern noch nicht vorkommt. Der Hof gehörte damals zu den größten Höfen Guderhandviertels.

Das Register von 1588 nennt ihn als Besitzer eines Hofes von 21 Altländer Morgen. An Gebäuden besaß er demnach ein großes Bauernhaus von 13 Fach Länge, zwei Sechsrutenberge und einen Spiker“. Neueste Forschungen gehen davon aus, dass es sich bei dem sogenannten „Speicher” um das Einraumwohnhaus handelt, das der Gräfe Hein tom Velde als Altenteilerhaus erbauen ließ.

Er besaß außerdem zusammen mit anderen Erben einen Anteil an der Veldtmannschen Haus bei der Kirche, das eine Länge von 7 Fach hatte. Bemerkenswert ist der „Weddeschatz“, also Kapitalvermögen von 3500 Mark. Hein tom Velde war damit einer der reichsten Männer des Alten Landes.

Er gehörte der bäuerlichen Oberschicht an, engagierte sich in der Selbstverwaltung des Alten Landes und leitete zwölf Jahre als Gräfe Verwaltung und Rechtsprechung im Alten Land. Ohne Zweifel haben wir in ihm einen selbstbewussten und auch standesbewussten Altländer Bauern zu sehen, der bereit war, Verantwortung für die Geschicke des Alten Landes zu übernehmen.

Das Anwesen ist eines der wenigen, die den Dreißigjährigen Krieg überstanden. Die Truppen des Reichsmarschalls Gottfried Heinrich zu Pappenheim lagen im Frühjahr 1632 in Stade. Pappenheim ließ im Alten Land zahlreiche Brände legen. 250 Häuser wurden zerstört.